Eine normale, gesunde Verschuldung, solange man seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, ist in Ordnung. Aber was ist „normal und gesund“?
In der Betriebswirtschaftlehre (BWL) wird von Vertikalen und Horizontalen Finanzierungsregeln gesprochen, vom Statischen und Dynamischen Verschuldungsgrad, manchmal auch von einer Goldenen Bankregel, Bilanzregel und Finanzregel.
Alles Begriffe, die BWL Studenten im Studium durcheinanderbringen, nicht davon zu sprechen, wie eine normale Person damit zurechtkommen soll.
Jedoch leider, was für Unternehmen gilt, gilt auch für Privathaushalte. Wer sich überschuldet, geht pleite. Es hilft nichts, alles auf Ursachen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Scheidung bzw. Trennung vom Partner zu schieben. Überschuldung bleibt Überschuldung, egal in welchem Zusammenhang.
Jedoch oftmals (sehr oft!) ist es möglich und lohnt sich, darüber nachzudenken, bevor es zu spät ist, und rechtzeitig die Bremsen zu ziehen.
Ich erkläre in diesem Artikel die praktische Anwendung von Finanzregeln und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen für privates Schuldenmanagement allgemeinverständlich, für den Nichtfachmann. Jedoch bitte ich den Leser eine Kopfschmerztablette bereitzulegen. Es wird ganz sicher anstrengend! Es ist kein einfaches Thema. 🙂
Dynamischer Verschuldungsgrad
Von all den vielen betriebswirtschaftlichen Begriffen, die ich oben genannt habe, ist wahrscheinlich der „Dynamische Verschuldungsgrad“ am Relevantesten für eine Privatperson, um sich aus der Schuldenfalle selbst herauszuholen. Hier die Formel:
Beim dynamischen Verschuldungsgrad wird das gesamte Fremdkapital dem Cashflow gegenübergestellt. Diese Kennzahl ermittelt die Rückzahlungsdauer des Fremdkapitals aufgrund des frei verfügbaren Cashflow (Schuldentilgungsdauer).
Wichtig ist, dass der Cashflow künftig mindestens auf demselben Niveau erwirtschaftet werden kann und ausschließlich für Schuldentilgung verwendet wird, nicht für „Sonderausgaben“ wie Fernseher oder Urlaub.
Als noch tragfähige Schuldentilgungsdauer werden 3 Jahre angesehen.
Ich hatte in meinem Artikel Wie man aus Roten Zahlen rauskommt – Kontrolliere dein Bankverhalten, als Beispiel einen Bekannten von mir mit einem monatlichen Einkommen von 3.200€ und einer Gesamtverschuldung i.H.v. 25.000€ angebracht. Wir werden an seinem Beispiel weiterrechnen.
Fremdkapital
Sehr, sehr wichtig ist, das gesamte Fremdkapital dem Cashflow gegenüberzustellen, nicht nur einen Teil.
Fremdkapital, übersetzt in Privatsprache sind alle möglichen Schulden (auch Privatschulden gegenüber Familie und Freunden), Kredite, Anleihen, usw.
200€ von einem Freund geborgt ist fremdes Kapital. Ein Kühlschrank für 800€ auf Raten erworben ist Fremdkapital. Ein Leasingvertrag für’s Auto (die Summe aller Leasingraten) ist Fremdkapital.
Summa Summarum, alles, was man sich irgendwann mal angeschafft oder geborgt hat, was kein eigenes Geld ist, und man dabei ist, noch zurückzuzahlen, ist Fremdkapital. Man darf sich da nichts vormachen.
Es gehört absolut alles dazu, auch ein kurzfristiger Dispokredit, selbst, wenn man denkt, dass man diesen in den nächsten Monaten abzahlen wird.
Aufgabe 1:
Zähle alle deine Schulden (Fremdkapital) zusammen. Lasse nichts weg.
Addiere alles ab, was auch nur im Entferntesten eine Schuld sein könnte. Auch ausstehende, nicht bezahlte Rechnungen, für welche man schon Mahnungen bekommen hat, und nicht bezahlt hat, weil man nicht genug Geld zur Verfügung hat, zählen zu Fremdkapital (das Geld gehört jemandem anders).